Mehr Insolvenzen, mehr Zweifel – Das Ende von Going Concern?
Im Jahr 2024 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland um über 22 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Verschärfte konjunkturelle Bedingungen, zunehmende geopolitische Spannungen sowie anhaltender Druck auf internationale Handelsbeziehungen, insbesondere mit den USA, bringen viele Unternehmen in eine existenzielle Schieflage.
Vor diesem Hintergrund gewinnt eine zentrale Bilanzierungsfrage immer mehr an Bedeutung: Ist die Annahme der Unternehmensfortführung („Going Concern“) im handelsrechtlichen Jahresabschluss noch gerechtfertigt?
Was sagt das Handelsrecht zur Fortführungsannahme?
Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gilt bei der Aufstellung des Jahresabschlusses grundsätzlich die Fortführungsvermutung – also die Annahme, dass das Unternehmen auch künftig fortgeführt wird. Diese Annahme darf jedoch nicht unbegründet bleiben: Sobald rechtliche oder tatsächliche Umstände gegen die Fortführung sprechen, müssen die Vermögenswerte ggf. zu Liquidationswerten bewertet werden.
Entscheidend ist dabei der sogenannte Prognosezeitraum: Dieser umfasst mindestens zwölf Monate ab dem Abschlussstichtag. In besonderen Fällen – etwa bei verspäteter Aufstellung oder spezifischen Krisensignalen – kann auch ein längerer Zeitraum in die Betrachtung einbezogen werden.
Kurzfristige Finanzierungen, Covenant-Verletzungen und Liquiditätsrisiken
Besonders kritisch zu prüfen sind kurzfristige Finanzierungszusagen ohne vertragliche Bindung („b.a.w.“-Finanzierungen), Covenant-Verletzungen oder auslaufende Darlehen ohne Anschlussfinanzierung. Diese können zwar zunächst bestehen bleiben, doch die Kündigungsrechte von Gläubigern stellen ein Risiko dar. Wird ein solches Risiko nicht ausreichend analysiert, drohen Zweifel an der Fortführungsannahme – mit entsprechenden Auswirkungen auf Bilanz, Anhang und Lagebericht.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
Geschäftsführer und Vorstände sind verpflichtet, eine fundierte Unternehmensplanung vorzulegen – insbesondere dann, wenn die wirtschaftliche Situation kritisch ist oder Schönwetterkriterien (z. B. dauerhaft positive Ertragslage, stabile Finanzierung) nicht mehr erfüllt sind. Ohne eine plausible, integrierte Planung ist eine sachgerechte Einschätzung der Fortführungsfähigkeit kaum möglich – und eine Abkehr von der Fortführungsannahme nicht auszuschließen.
Unser Angebot für Sie
Als erfahrene Steuer- und Wirtschaftsprüfer beraten wir Sie bei der Beurteilung Ihrer Fortführungsprognose, unterstützen bei der Unternehmensplanung und helfen Ihnen dabei, potenzielle Unsicherheiten rechtzeitig zu erkennen – bevor es zu spät ist.
Verfasst am 18.06.2025
Obligatorischer Disclaimer: Die in diesem Beitrag dargestellten Inhalte dienen der allgemeinen Orientierung und ersetzen keine individuelle Beratung. Jeder Einzelfall ist anders und erfordert eine spezifische rechtliche und wirtschaftliche Bewertung. Trotz sorgfältiger Recherche übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der Angaben.